Warum digitale Schulbildung in Uruguay funktioniert

In Australien gibt es schon seit Jahrzehnten digitalen Schulunterricht. Wie sonst will man die Schüler im sogenannten Outback des Kontinents erreichen. Auch das kleine südamerikanische Land Uruguay zeigt uns, wie digitale Schulbildung geht. Dort leisten öffentliche Schulen seit Jahren, was unsere Kanzlerin erst jetzt im Jahr 2021 mit der neuen „Initiative Digitale Bildung“ angestoßen hat, nachdem die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern regelmäßig scheitert und die Zusammenarbeit mit der Bildungswirtschaft noch nicht einmal angedacht wird.

 

In Ländern wie Australien und Uruguay wurde der Vorgang des digital gestützten Unterrichts mittels Voraussicht und gutem Management durchgezogen, während wir hier noch auf dem Stand des Versuchs sind, in verquaster Sprache die pragmatische Anwendung digitaler Lerntools zu verklausulieren.  Dabei regiert der Konjunktiv, als gäbe es noch keine Vorbilder oder Anleitungen zum Gelingen eines guten digitalen Unterrichts. Von den Verantwortlichen fühlt sich auch niemand bemüßigt, sich in Australien oder Uruguay anzusehen, wie sie dort seit langem den digitalen Unterricht gestalten. Stattdessen quälen wir erste Klassen der Grundschulen mit langweiligen Arbeitsblättern, die jede Freude, Kreativität und Motivation der Kinder im Keim ersticken. Dabei kommt es auf die jeweilige Schule und den Lehrer an, ob diese dann in korrigierter Form an die Schüler wieder zurückgeschickt werden. Zu Fuß, per Rad, per Fax oder sogar zuweilen als Email!

 

Schauen wir uns also an, wie Uruguay es schafft, nicht nur die Bildung in Zeiten der Pandemie hochzuhalten, sondern auch allen seinen Schülern durch die Zurverfügungstellung von Onlineunterricht einen gerechteren Zugang zu Bildung ermöglicht. Nicola Abé hat dazu in Spiegel Online im Februar 2021 eine beeindruckende Bestandsaufnahme veröffentlicht (siehe hierzu „Warum Uruguay´s Schüler so gut durch die Pandemie kommen“). 

 

In Uruguay gehen 85 Prozent der Schüler in öffentliche Schulen und können sich keinen Nachhilfelehrer oder Privatlehrer leisten, wenn die Schule wegbricht oder auf ein Minimum reduziert wird. Als die Pandemie auch über Uruguay hereinbrach, konnten die dortigen Schulen sehr flexibel und kompetent reagieren, denn sie hatten im Jahr 2007 einen Staatspräsidenten, der die Vision verfolgte, dass „jedes Kind alles werden kann“. Er schuf infolgedessen vor mehr als zehn Jahren die Ein-Laptop-pro-Kind-Politik, installierte im gesamten Land freies Internet an öffentlichen Plätzen und gründete die staatliche Agentur Plan Ceibal für digitale Erziehung. Diese staatliche Agentur bildet seit Jahren Lehrkräfte weiter und betreibt zudem eine zentrale Plattform für digitale Schulbücher, über die Aufgaben und Inhalte hochgeladen werden können. Gleich zu Beginn der Pandemie baute die Agentur praktisch über Nacht die Serverkapazitäten aus und stellte jedem Schüler monatlich 50 Gigabyte freies Internet zur Verfügung. Plan Ceibal fördert aber auch die Entwicklung innovativer Software für digitale Lerninhalte und kauft in der Bildungswirtschaft ein. 100 US Dollar kostet Plan Ceibal pro Schüler jährlich, inklusive Laptop, Lehrmaterial, Lehrerfortbildung und Internetverbindung in Schulen. Und so lernen Erstklässler das Alphabet über Audioturials. Digitaler Matheunterricht macht so viel Spaß, dass Extraaufgaben gelöst werden. Dreimal in der Woche gibt es Videokonferenzen (und nicht ununterbrochen, weil andere Lehrmetoden unbekannt sind), damit sich Lehrer und Schüler besser kennenlernen. Die Sportlehrer machen mit ihren Schülern online Gymnastik. Es gibt digitale Schulbücher mit naturwissenschaftlichen Experimenten, Hausaufgaben in Quiz- und Spielform, interaktive Videoschalten und personalisierte Übungen und Chats für Rückfragen. Die neue Plattform Boki soll Lehrern dabei helfen spannende digitale Präsentationen zu erstellen und eine App soll Schülern helfen mit emotionalen Problemen besser umzugehen. 

 

Das kleine südamerikanische Land ist auf eine Krise besser vorbereitet als wir es jemals waren. Wir „leben im 21. Jahrhundert, haben aber Schulen des 19. Jahrhunderts“. Offensichtlich ist es nicht eine Frage des Geldes, sondern der Priorität und des Willens, die Trägheit zu Innovation und Veränderung rechtzeitig zu überwinden – zum Wohle der Kinder, die als künftige Generationen den Erfolg und den Wohlstands des Landes sichern müssen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0